Interview Dr. Konrad Lang

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Dr. Konrad Lang

Wenn Sie an Kultur im Allgemeinen denken, was fällt Ihnen als erstes dazu ein? Musik Eltern, Partner, Berufsleben, Öffentlichkeit: welche kulturelle Prägung erfuhren Sie durch Vorbilder und wodurch?

Die erste Prägung erfolgte naturgemäß durch die Eltern. Dazu zählt früher Musik-Unterricht im Vorschulalter – und das im Jahr 1949. Wichtig war auch der Besuch der Stadtbücherei – in jeder Woche wieder. Meine Mutter schürte mit Vergnügen den Wettbewerb mit meiner Schwester, wer das dickste Bücherpaket nach Hause schleppen und gelesen wieder abgeben konnte.Von besonderer Bedeutung war das Jugend-Abo für das Mainzer Stadttheater, das mich bis zum Abitur begleitete und die Besuche im Staatstheater Wiesbaden. Das hatte natürlich Folgen – bei den Schulaufführungen durfte ich als Mitwirkender keineswegs fehlen.Von besonderer Bedeutung war auch die Begegnung mit Diethard Hellmann, dem neu berufenen Kantor an der Christuskirche Mainz. Er kam als frisch gebackener Bachpreisträger in unsere Stadt und etablierte dort die große evangelische Kirchenmusik im Alleingang. Seit dem 12 Lebensjahr war ich mit dabei, als Alt, Sopran und später als Bass in der Kurrende der Christuskirche, und danach als Flötist im Bachorchester. Für das erste Erleben der großen Werke Bachs als Mitwirkender finde ich keine angemessenen Worte.Eine wichtige Erfahrung war das Studium der Philosophie in Hamburg. Unser bewunderter Lehrer von Weizsäcker schickte uns in die Anfängervorlesung Mathematik.  Die unbeschreibliche Mischung aus Verwirrung und Begeisterung, die Emil Artin in uns Studenten weckte bleibt unvergesslich. „Vergesst alles, was ihr jemals in der Schule über Mathematik gelernt habt. Bei mir müsst ihr nur lesen, schreiben und denken können. Ist hier jemand, der damit ein Problem hat? Nein? Dann können wir ja anfangen.“  Der Mathematik bin ich dann auch treu geblieben, zur unbeschreiblichen Verblüffung unseres alten Mathe-Paukers.

Sie füllen ein ambitioniertes Ehrenamt als Vorsitzender der Freunde des Schauspiels aus, natürlich nicht ohne die überaus engagierten Mitstreiter in Ihrem Verein. Wann und wie reifte in Ihnen der Entschluss sich ehrenamtlich zu betätigen und welches persönliche Anliegen möchten Sie in diesem Verein verwirklichen.

Ich kam zu diesem Amt durch Zufall. Ich wurde gefragt, ob ich mir vorstellen könnte, dieses Ehrenamt zu übernehmen, bat um eine Woche Bedenkzeit, sagte zu und wurde gewählt. Das ist nun vier Jahre her. Nach meiner Überzeugung ist das Sprechtheater das wichtigste Experimentierfeld der Humanität. Seine Bewahrung und feste Verankerung im Städtischen Leben ist ein wesentlicher und kann – angesichts der Unsicherheiten künftiger politischer Entwicklungen – ein wichtiger Beitrag zur Bewahrung unserer Identität als europäische Kulturnation sein. Deswegen ist meine Tätigkeit als Vorsitzender der Freunde des Schauspiels Bonn darauf ausgerichtet, die Festigung und Verstärkung des Bandes zwischen dem Theater Bonn und seinem Publikum so gut wie irgend möglich zu unterstützen.

 

Vermissen Sie in der heutigen Zeit ein zu wenig an Kultur, und wenn ja warum?

Falls Corona-Zeiten gemeint sind: ich vermisse nicht nur ein wenig an Kultur.Falls die Frage sich auf Zeiten wie bislang gewohnt bezieht: Ich vermisse die Kultur des Widerspruchs. Die Kontroverse wird zu wenig gepflegt. Viele Menschen haben sich in ihrer „Blase“ (so wird offenbar neuerdings die Atmosphäre geschlossenen Wahns genannt, in der sich entschieden Nicht-Neugierige gerne aufhalten.) sozusagen für immer eingerichtet. Zur Kultur sollte auch gehören, nach Wegen zu suchen, wie man den Entgleisungen der sogenannten „social media“, die im Lichte obiger Bemerkung eigentlich als Vereinsamung-mit-Gleichgesinnten-Medien bezeichnet werden sollten, entkommen kann.

Denken Sie, dass wir in Bonn, im Gegensatz zu anderen Städten, kulturell gut aufgestellt sind und welche Ihrer persönlichen Wünsche könnten diesbezüglich noch erfüllt werden?

Bonn ist durch die Universität und die zahlreichen wissenschaftlichen Institute der Spitzenklasse mit einem kulturellen Reichtum gesegnet, den viele gar nicht wahrnehmen. Ich wünsche mir eine bessere Vernetzung mit der gängigen kulturellen Szene (Theater, Kunstmuseen etc.)

Was wollten Sie schon immer gefragt werden, stellen Sie diese Frage und beantworten diese auch gleich.

Die Frage, die mich am meisten umtreibt: Wieso betreten wieder so viele das Sumpfgelände der Nazi-Ideologie. Dieser brutale, blutige, entsetzliche und jämmerliche Schwachsinn sollte doch historisch erledigt sein – aber nein, Fehlanzeige. Wenn wir Glück haben kommt die Katastrophe zurück als Posse, ein Vorgeschmack war unjüngst in Erfurt zu bestaunen. Eine kurze Antwort darauf gibt’s wohl nicht – aber immerhin eine Art Antwort, die man aber besser als Frage formulieren sollte.  Ist die Beschränkung auf  identitäre Themen eine Flucht vor der Erkenntnis, dass Überleben nur mit der Erkenntnis einer Gesamtverantwortung möglich ist?

Interview/Fotos A.Bi
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