
Lilian März
Wir trafen uns mit Ihnen an einem besonderen Ort im Kurpark von Bad Godesberg, dem Trinkpavillon. Dieser architektonisch interessante und von den Bürgern Bad Godesberg wiederbelebter Ort passte sehr gut zu Ihren farbintensiven Arbeiten.
A.B.
Ihre wundervolle Micky Mouse Collage widmeten Sie Ihrer Tochter anlässlich ihres 18. Geburtstags. Auf Instagram entdeckt, wurde ich natürlich auf die Künstlerin neugierig. Können Sie uns etwas über die Technik dieser Arbeit erzählen.
L.M
Zunächst einmal gestalte ich ähnlich meinen anderen Bildern einen Hintergrund, jedoch mit nur sehr wenig bis gar keiner Struktur, je nach Motiv. Dafür bringe ich verschiedene Schichten Acrylfarben auf die Leinwand. In einem weiteren Arbeitsschritt bringe ich das Motiv, in diesem Fall die Micky Mouse mittels eines Foto Transfer Potches auf den Untergrund auf. Der Foto- oder Bilddruck wird mit diesem Medium auf den Untergrund übertragen. Das Papier des Drucks wird nach vollständiger Trocknung mittels Befeuchten vorsichtig von der Leinwand gerieben, so dass letztlich nur noch der Druck selbst auf dem Untergrund zu sehen ist. Ich bin etwas gröber an das Entfernen des Papiers gegangen, da ich den Eindruck eines alten, bereits angerissenen Plakats auf einer Wand erwecken wollte. Hierbei ist die, wenn auch minimale, aber dennoch vorhandene Struktur sehr hilfreich, da der Druck an diesen Stellen beim Entfernen des Papiers einreißt. Diesen Effekt wollte ich gezielt erreichen.
H.R.
Was inspiriert Sie zu Ihren feinkörnigen, farblich ungemein nuancierten abstrakten Arbeiten?
L.M.
Mich beeindrucken ganz besonders alte Wände und Gemäuer, von denen der Putz abblättert, ebenso alte Türen, die Tiefe und Farben der Patina zum Beispiel von Rost oder Kupfer, aber genauso die Vielschichtigkeit und Vielfarbigkeit des Schiefersteins im Ahrtal. Es fasziniert mich, wie viele Farbtöne sich darin verbergen. Ich versuche in jedem Arbeitsschritt noch ein wenig mehr Tiefe und Feinheit mit ins Bild zu bringen. Vom sehr groben Pinsel zu Beginn kann es durchaus am Ende der feinste Pinsel werden, um ein wenig „Schatten“ unter die Struktur zu bringen.


A.B.
Ihre Kindheit verbrachten Sie mit Ihren Eltern auf dem Gut Marienforst vor den Toren Bad Godesbergs. Hat dieser bäuerliche Ort Sie möglicherweise zum Malen inspiriert und wie kam es zu diesem außergewöhnlichen Wohnort, da Ihre Familie diesen ja nicht bewirtschaftete?
L.M.
Das Gut Marienforst selbst hat mich tatsächlich nicht zum Malen inspiriert. Jedoch war ich von Kindheit an durch den Beruf meines Vaters von Kunstbänden, Fachzeitschriften, Gesprächen über Kunst und dem Kunsthandwerk insbesondere umgeben. Mein Vater hatte einen Meister in Kunstverglasung und hat später ein paar Jahre ein Geschäft für Rahmung und Restaurationen in der Godesberger Paul-Kemp-Straße geführt. Er hat dort Rahmen und Spiegel selbst gestaltet und angefertigt und Restaurationen von Bildern und Skulpturen gemacht. Das ein oder andere Bild von ihm ist auch entstanden.
Ich hatte allerdings sehr lange – bis in meine 30er – ein sehr ambivalentes Verhältnis zu Kunst und Künstlern aufgrund einer nicht leichten Kindheit in ziemlicher Armut. Ich musste erstmal einen inneren Befreiungsschlag schaffen, um selbst zu malen. Den Drang zum Malen, kreativ zu sein, meine Ideen umzusetzen habe ich allerdings schon sehr, sehr lange verspürt. Der Kunst Leistungskurs in der Schule war ein erster kleiner Schritt. Danach hat es allerdings noch sehr lange gedauert, bis ich mir bewusst Pinsel und Farbe gekauft habe. Es war wie eine Erleichterung, ein Ausbruch, als ich endlich anfing zu malen.
H.R.
Wie wurden Sie von Ihrer Familie zum Malen angeregt und welches sind Ihre künstlerischen Vorbilder und Vorlieben?
L.M.
Inspiriert wurde ich, wie schon beschrieben, durch meine gesamte frühe Kindheit. Ich mag die unterschiedlichsten Künstler, die unterschiedlichste Kunst. Kreativität an sich fasziniert mich. Dabei ist die Umsetzung, und damit meine ich das Material oder das Genre, nicht wichtig, sondern die Idee ist es, die mich beeindruckt.
Als Kind erinnere ich mich an meinen ersten Museumsbesuch mit der Schule in eine August-Macke Ausstellung. Die Bilder haben mich natürlich sofort angesprochen. Später dann, in meiner frühen Jugend fand ich die Bilder von Degas und Monet sehr inspirierend. In seinen übergroßen Wasserlilien in der Pariser Orangerie kann ich versinken. Die Impressionisten haben mich sehr früh angesprochen.
Später hat sich das Interesse allerdings in die verschiedensten Genres und Epochen ausgeweitet. Skulpturen zum Beispiel sind eine meiner größten Leidenschaften. Die Plastizität bietet so viele Möglichkeiten. Ich freue mich jetzt schon auf die Giacometti- Ausstellung in Brühl. In Bonn selbst faszinieren mich aktuell die Exponate von Thomas Röthel rund um den Post Tower, Rost und Eisen, meine Themen, genauso wie das wundervolle Atelier in der Südstadt von Jens Mohr, das ein unendlicher Fundus an Kreativität ist. So viele schöne Ideen habe ich selten auf so wenig Platz gefunden. Fantastisch! Konkrete Vorlieben habe ich also nicht. Die Kunst muss etwas mit mir machen, im Positiven, Ästhetischen genauso wie im Negativen, Kritischen. Ich bewundere zum Beispiel auch die Arbeit von J.R. Seine Ausstellung in München im vergangenen Jahr hat mich von allen Ausstellungen in letzter Zeit am meisten bewegt. Er rüttelt wach, erzählt die Geschichte von Menschen, die sonst niemand hört, die aber gehört werden müssen! Sehr bewegend!

H.R.
Welche Museen besuchen Sie besonders gern und dienen diese auch als Inspirationsquellen?
L.M.
Ich besuche Museen in den verschiedensten Städten. Zuletzt waren wir, auch aufgrund der Nähe natürlich, häufiger im Kunstpalast in Düsseldorf. Aber auch in Berlin, Basel, Frankfurt, Wien haben wir großartige, verschiedenste Ausstellungen gesehen. Das c/o Berlin hat mich mit seinen Ausstellungen jetzt schon zweimal sehr beeindruckt.
Genauso gerne bin ich aber auch, meistens eher zufällig und spontan, dort, wo ich sie finde, in kleinen Galerien oder Ateliers. Hier entdeckt man oft die kleinen Schätze.
Inspiration finde ich also in vielen Werken der unterschiedlichsten Genres, ob Malerei, abstrakte Kunst, Fotografie, egal ob es etwas mit meiner persönlichen Malerei zu tun hat oder nicht. Kunst öffnet den Geist und nimmt einen für eine Weile mit in eine völlig andere Welt. Sie stimuliert oft so viele Sinne.
H.R.
Haben Sie eine künstlerische Ausbildung genossen?
L.M.
Ich bin Autodidaktin. Außer dass ich an ein paar Ölmalerei- Kursen teilgenommen habe und einige Jahre in zwei verschiedene Malschulen hier in Bonn gegangen bin, habe ich keine Ausbildung genossen.
H.R.
Sind Sie Mitglied einer Künstlergruppe oder eines Vereins?
L.M.
Ich bin seit wenigen Monaten Mitglied im Kunstverein Bad Godesberg.
H.R.
Wie und wann arbeiten Sie als berufstätige, alleinerziehende Mutter von drei Kindern, finden Sie überhaupt noch Zeit dazu?
L.M.
Die Zeit ist natürlich ausgesprochen eingeschränkt, da ich Vollzeit und nicht gerade nebenan arbeite. Ich komme in der Regel nur mal am Wochenende oder in Urlaubszeiten dazu, was ich sehr bedauere. Aber so ist es nun mal. Irgendwann wird es mehr Zeit geben. Zwei meiner drei Kinder sind ja nun schon im Studium.
A.B.
Kürzlich zeigten Sie Ihre Arbeiten in Bad Godesberg auf der Muffenale. In einem Gemeinschaftsprojekt mit den Fotografien von Jens Unglaube verschmelzen Ihre Malerei und das Foto zu einem neuen, ausdrucksstarken Bild. Jens Unglaube, der auch der Architekt des ersten Umbaus des Macke- Hauses war und die Künstlerin Lilli März, wie erfolgte Ihre Zusammenarbeit?
L.M.
Zunächst einmal haben wir 10 Jahre lang gemeinsam im Architekturbüro von Jens Unglaube gearbeitet. Wir wussten zwar von der Kunst des anderen, aber unsere künstlerische Zusammenarbeit hat erst mit der Idee, eine gemeinsame Ausstellung zu machen, begonnen. Wir hatten überlegt, wie wir die beiden so unterschiedlichen Genres Malerei und Fotografie in einer so kleinen Ausstellung interessant präsentieren können, vor allem, da Jens Unglaube sich nicht nur auf Landschaftsfotografien fokussiert, sondern auch street photography und Miniaturszenen gestaltet und unglaubliche, wunderschöne aber teils auch absurde Szenen damit umsetzt. Sehr beeindruckend. Wir mussten entscheiden, welche Bilder wir zeigen möchten und wie wir sie gemeinsam bewerben können. Dabei hatten wir dann die Idee, statt zwei Bilder nebeneinander zu setzen, sie einfach übereinander zu legen, so dass aus zwei besonderen Einzelwerken, ein ganz neues gemeinsames Kunstwerk entstanden ist. Das haben wir dann mit noch weiteren unserer Bilder gemacht. Es sind faszinierende Ergebnisse geworden.


Wir haben immer wieder neue Ideen, wobei dies die ersten gemeinsamen Werke waren. Man kann aber glaube ich sagen, dass wir beide voller unterschiedlichster Kreativität sind und können unsere vielen Ideen so gegenseitig immer weiter vorantreiben bis ins Absurde. Das macht ausgesprochen viel Spaß und ermutigt einen, weiterzumachen und Neues auszuprobieren.
H.R.
Welche Vorarbeiten gibt es zu Ihren Bildern und ab wann arbeiten Sie abstrakt?
L.M.
Ich arbeite meist spontan. Es entwickeln sich zunächst Ideen oder Farbkombinationen in meinem Kopf, die ich dann relativ spontan umsetze.
Die Art meiner Bilder hat sich im Laufe der Zeit entwickelt und verändert sich stets ein wenig. Ich probiere immer weiter aus. Manchmal funktioniert es, manchmal nicht. Manchmal lasse ich Angefangenes liegen, weil ich nicht weiterkomme und Monate später sehe ich das angefangene Bild neu und weiß dann, wohin es gehen muss. Manche Ideen setze ich auch in relativ kürzester Zeit vollständig um. Es gibt Phasen, da passiert sehr viel in recht kurzer Zeit und dann dauert es eine Weile, bis es weitergeht. Das hängt aber ganz besonders von meinem Alltagspensum ab.
Die abstrakte Malerei hat sich in den letzten 4 – 5 Jahren entwickelt. Sie bietet mir persönlich sehr viel Freiheit und unendliche Möglichkeiten, mit Farbe und Form, Licht und Schatten und der Struktur zu spielen.
H.R.
Wie erreichen Sie diese krustigen Oberflächen?
L.M.
Für die krustigen Oberflächen habe ich verschiedene Spachtelmassen ausprobiert, grobe und auch feine Künstler – Spachtelmassen, hatte aber ganz zu Beginn schon einmal mangels Material ganz einfaches Moltofill, also Spachtelmasse aus dem Baumarkt, um Schäden an Innenwänden auszubessern, verwendet, und bin letztlich zu dem Schluss gekommen, dass ich die schönsten groben Risse nur mit dieser schnell trocknenden, einfachen und zähen Spachtelmasse erreichen kann. Sicher verwende ich auch immer mal andere Spachtelmassen oder ich mische sogar, aber den Effekt der kaputten Wand, des bröckelndes Putzes, den erreiche ich hauptsächlich damit. Die Risse werden spannender, die Struktur wilder, wenn man so will. Und ich spare nicht gerade an der Menge der Spachtelmasse. Es wird sogar zunehmend mehr, meine Bilder werden immer tiefer, dreidimensionaler.
H.R.
Wie tanken Sie Ihre Kreativität auf und finden Sie noch Zeit für weitere Hobbys?
L.M.
Um einen freien Kopf für die Malerei zu bekommen, muss ich in die Natur rausgehen. Ich brauche das Licht, die Farben, die Ruhe, die Anregung der Sinne und den Wind, der den Kopf frei pustet. Das ist es, was mir neue Energie gibt und mich erdet. Das ist meine Freizeitbeschäftigung, mein Hobby, wenn Sie so möchten, und außerdem, wann immer es geht, neue Städte zu erkunden. Ein völliges Kontrastprogramm aber genauso inspirierend, Menschen, Architektur, alltägliche Szenen, verlassene und völlig belebte Plätze an den unterschiedlichsten Orten zu erleben. Es ist nur nicht gerade erholsam vielleicht. 🙂
A.B.
Warum wohnen Sie gerne in Bad Godesberg und welcher Ort gefällt Ihnen hier besonders?
L.M.
Godesberg ist der Ort, an dem ich groß geworden bin mit vielen Höhen und Tiefen. Ich habe 17 Jahre lang in Norddeutschland gelebt und war am Ende sehr froh, als ich 2012 wieder zurückgekommen bin. Godesberg war und ist eben meine Heimat. Der Blick auf das Siebengebirge, das Rheinufer und die vielen schönen alten Viertel, der Kurpark, der so herrlich kreativ wiederbelebt wurde und natürlich die Umgebung, die Waldau und insbesondere, und das ist mein liebster Ort, der Rodderberg. Jedesmal wenn man darüber läuft, blühen andere Pflanzen und das Licht dort oben ist oft sehr besonders. In allen Jahreszeiten ist es dort wunderschön! Man schaut hinunter auf die Stadt und alles ist friedlich. Und wenn man Glück hat, sieht man sogar noch den Dom in der Ferne.
A.B.
Was gefällt Ihnen an Bad Godesberg besonders und was ist Ihr Lieblingsplatz?
L.M.
Mir gefällt ganz besonders und hat mich auch schon als Kind sehr fasziniert, dass man in Godesberg an jeder Ecke eine andere Sprache hört. Godesberg war und ist international und ich sehe das als eine große Bereicherung an!
In Godesberg selbst, also in der Stadt, habe ich keinen konkreten Lieblingsplatz. Ich gehe gerne die alten Wege durch das Bachtal zum Gut Marienforst oder über den Theaterplatz an den Kammerspielen entlang, wo ich in der Schulzeit gejobbt habe. Ich freue mich jedesmal wieder über die Bronzeskulptur von Eva de Maizière, durch die ich als Kind schon geklettert bin.
Und ich mag den Panoramapark sehr mit Blick auf Rhein und Siebengebirge und den Biergarten Schaumburger Hof.
Ich finde aber auch jetzt noch nach all den Jahren immer wieder neue Orte in Godesberg, die ich noch nicht kannte und die wunderschön sind.
H.R.
Haben Sie zu Beginn Ihrer Beschäftigung mit der Malerei figurativ gearbeitet? Welche Themen haben Sie fasziniert?
L.M.
Zu Beginn habe ich figurativ in Öl gemalt, nicht zuletzt um mein Sehen zu schulen. Ich habe versucht, sehr detailgenau zu malen, war völlig fasziniert von den Möglichkeiten, die man mit Ölfarben hat, von diesen ineinander fließenden Pigmenten, den Farben an sich.
Allerdings merkte ich schnell, dass meine Farbwahl dieser detailgenauen Bilder in eine völlig andere Richtung ging, und ich habe mich recht schnell vom Figurativen zum Freien, Abstrakten gewandt und mit Materialien und Medien gespielt, wie zum Beispiel durch den Einsatz von Eisengrund und Oxidationsmedien, mit denen ich Rost auf die Leinwand gebracht habe. Dieser Oxidationsprozess auf der Leinwand über mehrere Tage hat mich sehr fasziniert. Damit werde ich auch weiter experimentieren.
Durch die Abstraktion konnte ich viel mehr ausprobieren und meiner Kreativität freien Lauf lassen. Außerdem male ich schon länger wieder verstärkt mir Acrylfarben, wobei Ölfarbe auch immer wieder zusätzlich oder auch alleine ins Spiel kommt. Alternativ auch als Ölkreide zum Beispiel in meinen Mixed Media Bildern wie der Micky Mouse.
H.R.
An welchen Ausstellungen haben Sie bereits teilgenommen?
L.M.
Meine erste Ausstellungsbeteiligung war 2021 in Bad Honnef bei einer Benefizausstellung „Flutkunst“. Die Einnahmen der zur Verfügung gestellten Bilder unterschiedlicher Künstler aus der Region gingen als Spenden an die Opfer der furchtbaren Flut im Ahrtal.
2022 hatte ich dann im Rahmen der 32. Muffenale meine erste Einzelausstellung in denselben Räumlichkeiten, in denen Jens Unglaube und ich kürzlich im Rahmen der 34. Muffenale 2024 unsere erste gemeinsame Ausstellung hatten.






