interview Hildegard Reinhard

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Dr. Hildegard Reinhardt

Sie arbeiten gerade mit einer Mitstreiterin an der Herausgabe der  Tagebücher der Elisabeth Macke, wie entstand Ihr Interesse an Macke und in welcher Funktion lernten Sie seine Arbeiten  intensiver kennen.
Mein Interesse an August und Elisabeth Macke begann mit der Gründung des Macke-Hauses durch Frau Dr. Margarethe Jochimsen 1989. Mit ihr habe ich 30 Jahre lang an verschiedenen Projekten zusammengearbeitet. 2009 haben wir die „Begegnungen“ von Elisabeth Erdmann-Macke herausgebracht, eine Sammlung von literarischen Porträts von Zeitgenossen der Künstlerwitwe. Ich hatte sogar das große Glück, Frau Erdmann-Macke zu Beginn der 1970er Jahre anlässlich kunsthistorischer Recherchen persönlich kennenzulernen: Eine ungemein liebenswürdige ältere Dame. Niemand von uns beiden hätte damals geahnt, dass ich später ihre Texte bearbeiten und publizieren würde.

Was oder wer  beeinflusste Sie, den Beruf der Kunsthistorikerin zu wählen, wie war Ihr Werdegang dorthin, wann trafen Sie Ihren Mann, ebenfalls Kunsthistoriker zum ersten mal?
Seit ich mich erinnere, wollte ich immer entweder Sprachen oder Kunstgeschichte studieren. Mit den Sprachen habe ich als Übersetzerin im Bundespresse- und Informationsamt meinen Lebensunterhalt verdient und so mein Kunstgeschichtsstudium finanziert. Meinen Mann habe ich an der Bonner Uni kennengelernt, als er damals seine Dissertation über die „Künstler der Dresdener Brücke“ schrieb.

Sie beurteilen Bilder nach bestimmten Kriterien, ein rein persönliche Angelegenheit durch Intuition oder was ist davon erlernt?
Qualität und Originalität eines Kunstwerks sind für mich entscheidend. Wenn man viel gesehen hat, bekommt man automatisch ein Qualitätsgefühl. Aber man muss sich ständig mit Kunst beschäftigen, was einem natürlich auch ein Bedürfnis ist.

Wie stellt man sich den Austausch von bildender Kunst im Hause Reinhardt vor, kontrovers oder meinungskonform?
Gespräche über Kunst finden bei meinem Mann und mir natürlich täglich statt. Ich muss gestehen, dass unsere Geschmäcker ziemlich konform gehen. Vielleicht ist mein Maßstab bei der abstrakten Kunst strenger und ablehnender als der meines Mannes, der ja schließlich in Schloss Morsbroich, dem Museum für Kunst nach 1945 in Leverkusen,  tagtäglich mit dieser Kunstrichtung zu tun hatte, die ihm eine Selbstverständlichkeit war.

Die Beschäftigung mit Kunst rein beruflich oder greifen Sie selber einmal zu Pinsel und Leinwand?
Niemals bin ich auf die Idee gekommen, selber künstlerisch tätig zu werden, habe wohl in den letzten Jahren angefangen zu fotografieren, besser gesagt zu knipsen (für den Hausgebrauch).

Wie ist Ihr Verhältnis zu genialen Kunstfälschern privat?
Die ganze Beltracchi-Story habe ich zunächst natürlich mit allergrößtem Interesse verfolgt. Mir hat die ungeheure Chuzpe des Fälschers und seines Verkaufsteams starken Eindruck gemacht, als mir jedoch nach und nach klar wurde, welchen materiellen und emotionalen Schaden diese Kriminellen angerichtet haben, war ich sehr erschüttert, aber auch natürlich über die Fahrlässigkeit und Korruptheit einiger vermeintlicher „Experten“ und Kunsthändler. Zum Glück hat der Skandal alle Kunstschaffenden extrem alarmiert.

Was verstehen Sie unter Kultur bzw. welche Bedeutung hat diese für Sie?
Unter Kultur subsummiere ich ein breites Spektrum von Ereignissen und Erlebnissen der bildenden, darstellenden und angewandten Kunst, von Museums- und Theaterbesuchen, von Lektüre und Gesprächen mit Gleichgesinnten, Ausflügen und Reisen zu historisch bedeutsamen Stätten im In- und Ausland, Teilnahme an Seminaren der z.B. der Thomas Morus- Akademie zu Goethe oder Thomas Mann in Weimar und Lübeck. Meine Beschäftigung mit bildender Kunst begann in Schülerzeiten – zunächst als Rezipientin, später auch als Autorin und Ausstellungskuratorin. Sie ist mir ein unverzichtbares tägliches Lebenselixier. Dank vermehrter Freizeit kam in den letzten Jahren ein verstärktes Interesse an Schauspiel und Oper hinzu, was zu zahlreichen Besuchen des Bonner und verschiedener NRW-Theater  führte, insbesondere des Düsseldorfer und des Aalto-Theaters in Essen.  Sehr beeindruckt haben mich im übrigen die Opernübertragungen der MET im Godesberger Kinopolis. Fasziniert war ich 2019/2020 im Bonner Theaterleben von  Warten auf Godot in der Werkstatt und jüngst von Fidelio und König Lear im Schauspielhaus und – menetekelhaft vor der „Corona“-Katastrophe – der Fledermaus in der Oper. Eine wirkliche kunsthistorische Sensation erlebte ich vor wenigen Wochen im Endenicher Kinotheater Rex in dem Film von  Halina Dyrschka zur Wiederentdeckung der schwedischen Malerin Hilma af Klint, die bereits 1906, also 5 Jahre vor Kandinsky, das erste abstrakte Gemälde schuf: „Die Kunstgeschichte muss umgeschrieben werden“ – so die Bilanz der FAZ.

Interview A.Bi./Fotos A.Biller

Hildegard Reinhardt im Gespräch während einer Premerienfeier
im Schauspielhaus, sozusagen im Dienst als Mitglied d.Vstd. FdS