Matthias Höhn -Multiinstrumentalist und Komponist-
Wir kennen uns seit mehr als vier Jahrzehnten, sind uns an der Universität Bonn und bei Freundinnen und Freunden aus verschiedenen Berufen und Milieus immer mal wieder begegnet. Matthias Höhn ist Lehrer für Musik und Geschichte an der August-Macke-Gemeinschaftshauptschule in Bonn-Hardtberg. Daneben ist er als freier Musiker aktiv, engagiert sich in zahlreichen sozialen Projekten vom Hospizverein bis zu MUTE (Musik und Teilhabe) und gibt regelmäßig Konzerte an besonderen Orten. Zwei Tage vor unserem Gespräch ist er noch mit dem bekannten Vokalartisten und künstlerischen Grenzgänger Christian Padberg (bekannt als Dad’s Phonkey) im Basecamp aufgetreten, einer angesagten Bonner Location, die Generalmusikdirektor Dirk Kaftan für neue Musik-Formate etabliert hat.
EEK: Lieber Matthias, du hast gesagt, dass es richtig anstrengend war. Was war das für ein Konzert?
MH: „Es war das Abschlussfest des ‚Special Adventure Camp‘, einem internationalen Fußballtournier für Kinder und Jugendliche mit geistigen und/oder körperlichen Behinderungen, das zum ersten Mal in Bonn stattfand. Dabei waren auch Jungen und Mädchen der ‚Special Need Teams‘ so berühmter Vereine wie Benfica Lissabon und FC Chelsea. Wir haben zwei Stunden lang improvisiert, ich habe dabei wahrscheinlich zwei Kilo abgenommen. Aber es hat großen Spaß gemacht, für diese sportbegeisterten jungen Menschen zu spielen“.
Matthias Höhn, geboren 1957 in Düsseldorf, zog 1977 zum Studium der Geschichte, Musikwissenschaft und vergleichenden Sprachwissenschaft nach Bonn. Seit 1998 lebt er in Bad Godesberg. Ganz in der Nähe seiner ersten Wohnung an der Bonner Straße befand sich die Videothek des Bad Godesberger Originals Juppi Schaefer, Gründer des legendären Musikclubs „Underground“ in Muffendorf und engagierter Kommunalpolitiker. Als Schaefer Ende der 1990er Jahre seinen trashigen kurfürstlichen Ritterfilm „Burg-Licht-Spiele“ drehte, war neben vielen Local Heroes von Wolfgang Biller bis Walter Ullrich auch Matthias Höhn als Darsteller dabei. Außerdem komponierte er den Soundtrack für das immer noch beliebte Kino-Ereignis und erzählt vergnügt, wie das Team zur Filmpremiere im Kinopolis stilvoll mit zwei Stretch-Limousinen vorfuhr.
EEK: Ausschnitte aus Schaefers Filmserie „Kaputt in Bad Godesberg“ waren im vergangenen Oktober bei dem „Citizen Map“-Projekt des Fringe Ensembles zu sehen, einem aus Interviews mit alten und neuen Bad Godesberger Bürgerinnen und Bürgern konstruierten theatralen Stadtspaziergang. Du spieltest dabei vor dem Kinopolis eins Deiner diversen Saxophone. Gehört den Holzblasinstrumenten deine besondere Sympathie?
MH: „Durchaus. Aber mindestens genauso gern spiele ich Dudelsack oder Concertina. Angefangen hat das alles erst nach dem Abitur am Düsseldorfer Humboldt-Gymnasium, das einen Musik-Schwerpunkt pflegt. Campino von den „Toten Hosen“ war übrigens einer meiner Mitschüler. Ich war kein musikalisches Wunderkind und nahm auch nie am Wettbewerb „Jugend musiziert“ teil. Eigentlich bin ich Autodidakt. Ich habe ja nicht Musik studiert, sondern Musikwissenschaft. Meine ersten praktischen Erfahrungen sammelte ich als Gitarrist in einer Skiffle-Band in der Düsseldorfer Altstadt. Das Banjo spielte damals mein Mitschüler Otto Kukla, der später als Schauspieler und Regisseur Karriere machte.“ aaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaa aaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaa
EEK: Wie kamst du zum Theater?
MH: „1985 – ich war noch Student – engagierte mich der damalige Bonner Schauspieldirektor Peter Eschberg als Musiker für die Inszenierung von O’Neills Drama ‚Fast ein Poet‘. Seitdem war ich immer mal wieder auf der Bühne tätig, zum Beispiel unter der Intendanz von Klaus Weise bei der Koproduktion mit dem Fringe-Ensemble von Wolfgang Koeppens ‚Treibhaus‘ in der Werkstatt. Zuletzt stand ich 2021 zusammen mit dem Schauspieler Thomas Franke auf der Bühne im Kölner Horizont-Theater als Performer und Musiker in dem Monodrama ‚Der Fall des Hauses Usher‘ nach Edgar Allen Poe. Grundsätzlich interessiert mich das Schauspiel mehr als die Oper.“
EEK: Im Programm wirst du, wie auch sonst sehr häufig, als „Multiinstrumentalist“ bezeichnet. Wie viele Musikinstrumente hast du eigentlich bei dir zu Haus?
MH: „So ungefähr 150, ganz genau weiß ich es nicht. Ich bin kein klassischer Sammler, sondern Spieler. Ich will die Instrumente nicht betrachten, sondern etwas damit machen. Ziemlich stolz bin ich auf eine fünffache Flöte, wie sie der Universalgelehrte Athanasius Kircher 1650 in seiner „Musurgia Universalis“ abgebildet hat. Das Original befindet sich im Museo Civico in Bologna, eine der beiden weltweit existierenden Nachbauten besitze und spiele ich.
EEK: Du kommst eigentlich von der alten Musik her, machst aber auch viel Jazz. Wo liegen deine musikalischen Vorlieben?
MH: „Tatsächlich bei der Volksmusik vom Mittelalter bis zum 18.Jahrhundert. Mit Spielmannsmusik war ich sogar mal in Japan zu Gast. Als Sprachwissenschaftler habe ich mich besonders mit den baltischen Sprachen befasst. Über Musikinstrumente im Baltikum habe ich Ende der 1980er Jahre eine ganze Radio-Serie im WDR 3 gemacht. Die Frau, von der ich in meinem Leben am meisten gelernt habe, war die damals in Bonn lehrende Musikethnologin Marianne Bröcker. Sie hat mein Interesse an ‚exotischen‘ Instrumenten geweckt. Mit dem romantischen und biedermeierlichen 19. Jahrhundert kann ich, abgesehen von etlichen Schubert-Liedern, nicht so viel anfangen, umso mehr dann wieder mit dem 20. Jahrhundert, Jazz und der sogenannten Weltmusik.“
EEK: Spielst du auch Klavier?
MH: „Gelegentlich als Liedbegleiter am Piano oder Keyboard. Ich bezeichne das aber eher als ‚angewandte Harmonielehre‘.“
EEK: Weil ich eben meinen Morgenkaffee aus einer Beethoven-Jubiläumstasse trank, die mir mal die Bonner Pianistin Susanne Kessel geschenkt hat: Du hast selbst auch ein Stück komponiert für ihr wunderbares Projekt „250 Pianp Pieces for Beethoven“. Es heißt „Sag mir Mando….“. Warum?
MH: „Ehrlich gesagt hatte ich immer ein gespaltenes Verhältnis zu Beethoven. Wie auch zum Klavier, das bei meinen Eltern rumstand. Mein allererstes eigenes Instrument war eine Mandoline, die ich 1975 in der DDR erwarb. Dann fiel mir Beethovens Sonatine in c-Moll für Mandoline und Cembalo in die Hände, auf die sich nun meine kleine Komposition bezieht.“
EEK: Auch wenn du ständig zwischen den unterschiedlichsten Musikstilen unterwegs bist – eine lange Freundschaft verbindet dich mit der beliebten Formation „Jean Faure & son Orchestre“ und dem französischen Chanson.
MH: „Das ist quasi meine Heimatbasis. Vor 15 Jahren gaben wir unser erstes Konzert im Pantheon, damals noch am Bundeskanzlerplatz. Seitdem haben wir etliche Programme mit Chanson-Klassikern gemacht Die Karnevalsrevue „Pink Punk Pantheon“, wo Monsieur Faure als Vereinsfranzose zum Stammpersonal gehört, ist nicht so mein Ding. Aber das fünfköpfige Orchester ist ein tolles Team mit vielen Auftritten in der ganzen Republik. Im Oktober 2021 haben wir sogar in deinem Heimatort Vechta gastiert. Am 6.Mai 2022 spielten wir im Pantheon zum letzten Mal unsere Hommage zum 100. Geburtstag von Georges Brassens.“
EEK: Mit den französischen Chansons sind wir schon bei der Literatur. Du begleitest mit deiner Musik häufig Lesungen z. B. mit der Schauspielerin Petra Kalkutsche und hast u.a. auch mit dem Schauspieler Rolf Mautz zusammengearbeitet.
MH: „Die Verbindung von gesprochenem Text, Stimme und Klang fasziniert mich seit langem. Ich trete auch oft in Kirchen auf. Mit Stephan Horz, dem Organisten der Kreuzkriche, und der Sopranistin Teresa Nelles haben wir im letzten Dezember wieder das traditionelle Adventskalenderkonzert veranstaltet, bei dem die Leute auswählen können, welche musikalischen Türchen geöffnet werden. Besonders viel Spaß gemacht hat mir das Silvesterkonzert 2006 in der Lutherkirche. Der Kantor und Komponist Berthold Wicke wollte die „Dreigroschenoper“ aufführen, was aber zu den üblichen Problemen mit den Brecht-Erben führte. Ich habe dann vorgeschlagen, das Original „The Beggar’s Opera“ von Pepusch und Gay zu spielen. Die Inszenierung von Martin Schurr aus dem ehemaligen Bonner Tanz-Ensemble war ein großer Erfolg.“
EEK: Mit der Sopranistin und Theologin Sylvia Dörnemann hast du 2017 das „Ensemble Voyages“ gegründet. Ihr habt 2021 mehrere Duo-Konzerte im Kreuzgang der Münsterkirche und in der Bad Godesberger Michaelskapelle. Was planst du als Nächstes?
MH: „Am 25. Juni werde ich beim ersten Hoffest des Vereins „Bad Godesberger Kultur und Stadt Scene“ dabei sein. Dazu bringe ich als Special Guest noch eine großartige Violinistin mit, die hauptberuflich als Ärztin tätig ist. Am Abend bin ich dann bei der von der Brotfabrik veranstalteten Reihe ‚Morris Open‘ mit Ulrike und Claus Weiß im Garten des Beueler Heimatmuseums mit unserem Programm ‚Music and Dances from Britain’s Isles‘. Es ist schön, dass nach den vielen pandemiebedingten Konzertabsagen wieder etliche Bühnen geöffnet sind.“
EEK: Vielen Dank, lieber Matthias, dass du bei deinem vollen Terminkalender noch Zeit für unser Gespräch gefunden hast!
Das Interview führte Elisabeth Einecke-Klövekorn, Fotos A.B.