Interview Purpurvilla

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Purpurvilla -eine Name der neugierig macht-

H.R.
Sie beide sind Kunsthistorikerinnen und führen seit Jahren durch Museen und Ausstellungen in Bonn und Umgebung. Wann kamen Sie auf die Idee, Ihre Führungen in historischen Kostümen durchzuführen?
M.H.
Frau Mai ist Archäologin und Historikerin, ich bin Kunsthistorikerin mit Nebenfachstudium der Archäologie und Ethnologie. Daher können wir wissenschaftlich ein breites Spektrum abdecken. Die Idee kam um 2009/2010, im Rahmen der Kulturvermittlung in einer Ausstellung und hat sich dann weiterentwickelt.

H.R.
War es ein sporadisches Experiment oder eine gezielte PR-Aktion?
M.H.
Die Vermittlung in historischer Kleidung kam gut an, daraus hat sich dann zunächst eine Gruppe von mehreren KollegInnen verstärkt mit den Kostümführungen zusammengefunden und wir haben Verschiedenes ausprobiert. Eine Person in Kleidung aus einer vergangenen Epoche bietet einen direkten, sinnlichen und niederschwelligen Zugang zur Geschichte und Kultur der Vergangenheit – das kommt altersübergreifend gut an.

H.R.
Wie viele Personen waren Sie bei der Grünung Ihrer GbR? Heute erledigen Sie die Arbeit zu zweit.
M.H.
Wir waren zunächst bei der Gründung der Purpurvilla im Jahr 2016 zu viert. Eine Kollegin und ein Kollege haben sich corona-bedingt beruflich umorientiert, so dass wir nun die Agentur zu zweit betreiben.   aaaaaaaaaaaaaaaaaaaa aaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaa

H.R.
Purpurvilla, die Bezeichnung Ihrer Werkstatt, setzt sich zusammen aus dem kostbaren Farbstoff Purpur, der Macht und Wirkung symbolisiert, und der historischen Bad Godesberger Villa, dem Sitz Ihres Ateliers in der Bonner Straße?
M.H.
Neben dem Farbstoff Purpur bezieht sich der zweite Teil unseres Namens auf die verschiedenen Räume eines Hauses/einer Villa, wie es auf unserer Website purpurvilla.com zu sehen ist. Dies symbolisiert die Vielfalt unseres Angebotes/Portfolios. So steht zum Beispiel das Schulzimmer für Angebote für Schulen, das Atelier für Erwachsenen-Workshops und die Nähstube für Rekonstruktionen historischer Mode.

H.R.
Welches sind Ihre wichtigsten Auftraggeber?
M.H.
Wir haben vielfältige Auftraggeber: Museen, Bildungsinstitutionen, Kommunen und Privatleute.

H.R.
Woher beziehen Sie die Anregungen für Ihre historischen Kostüme?
M.H.
Es gibt sehr viel Literatur zur Modegeschichte und auch zahlreiche Bücher mit von Originalen abgenommenen Schnitten. Dazu kommen Gemälde, Druckgrafiken und Zeichnungen sowie antike Skulpturen. Immer wieder wurde von Reisenden und Historikern auch Kleidung beschrieben.

H.R.
In Ihrer Werbung zeigen Sie z.B. eine Dame in einem eleganten Seidenkleid, für das Sie exakt die Vorlage eines Gemäldes des venezianischen Karnevals von Pietro Longhi genommen haben. Gehen Sie oft nach diesem Verfahren vor?
M.H.
Das kommt auf den Auftrag an. Wenn ein Kunde (z. B. ein Museum) eine möglichst genaue Rekonstruktion eines Gewandes wünscht, versuchen wir, bis zu den kleinsten Details alles genau nachzuahmen.

H.R: Sie fertigen Ihre Kostüme selber an. Sind Sie ausgebildete Näherinnen oder Autodidaktinnen? Mit Ihren Kostümen decken Sie einen Zeitraum von 2.500 Jahren ab.
M.H. Wir bevorzugen den Begriff „historische Mode“, da viele Leute im Rheinland bei dem Wort „Kostüm“ an den Karneval denken. Wir haben das Handwerk der Schneiderei nicht gelernt, aber da sich historisches Nähen von den heutigen Techniken stark unterscheidet, ist hier oft auch eine ganz andere Herangehensweise nötig. Kleidung wurde anders zusammengesetzt, das Futter hatte eine andere Funktion und es wurden auch viele andere Stiche benutzt.
H.R. Fertigen Sie die Accessoires (Schuhe, Taschen etc.) auch selber an?
M.H. Historische Schuhe erwerben wir meist passend zu den Kleidungsstücken. Taschen, Hüte, Hauben und Accessoires wie Schürzen fertigen wir selbst.
H.R. Wie lange dauert der Prozess von der ersten Besprechung bis zur Fertigstellung der Kostüme?
M.H. Das hängt natürlich stark vom jeweiligen Auftragsvolumen ab und ob komplett handgenäht werden soll oder auch zum Teil mit der Nähmaschine. Es kann einige Monate dauern, bis ein größerer Auftrag beendet ist.

H.R.
Wie lange benötigen Sie z.B. für eine Renaissancekleid der florentinischen Adeligen Giovanna Tornabuoni?
M.H.
Das Gewand ist für uns selbst entstanden, nach der Vorlage eines Gemäldes von Domenico Ghirlandaio, um 1490. Darin stecken mehrere Wochen Arbeit, ca. 80 Stunden.

H.R.
Wir durften einen Blick werfen in Ihren Kostümfundus. Bewahren Sie dort sämtliche Kostüme auf, die Sie haben, oder verleihen Sie gelegentlich auch welche?
M.H.
Wir verleihen die Kleider nicht. Die meisten sind auf Maß für uns gearbeitet. Manchmal werden sie im Rahmen von historischen Modenschauen von Models genutzt, die wir dann engagieren. Aber ein Kostümverleih sind wir nicht.

H.R.
Großen Erfolg hatten Sie mit dem Kostüm von Helene von Breuning, der “zweiten Mutter Beethovens”, dem Winterkostüm von Elisabeth Erdmann-Macke und dem Kostüm des französischen Sonnenkönigs Ludwig XIV. in der Ausstellung “Bühnenreif” (Arp-Museum, 2016).
M.H.
Kleidung zu rekonstruieren, die bekannte historische Persönlichkeiten wieder lebendig werden lässt, macht natürlich immer besonders viel Spaß – ist aber auch eine große Herausforderung. Wenn wir selbst in Rollen schlüpfen, sind auch die anonymen, einfachen Leute spannend – sie können sich besonders gut über die „feinen Herrschaften“ amüsieren und diesen den Spiegel vorhalten.

H.R.
Erläutern Sie bitte den Begriff Museumskoffer.
M.H.
Unsere Zeitreisekoffer oder Museumskoffer können in Museen von Schulen ausgeliehen werden oder werden von Schulen selbst erworben. Verschiedene Objekte, Kleidungsstücke und Aufgaben können dann in den Schulen interaktiv benutzt werden. Die Inhalte entführen die Klassen in unterschiedliche Epochen, wie z.B. die Römerzeit, die Steinzeit oder das Mittelalter.

H.R.
Sie werben auch mit der Anfertigung von Masken und Kostümen für Kinderfeste. Fertigen Sie auch Karnevalskostüme oder Kostüme für Maskenfeste für Erwachsene?
M.H.
Die Masken und Capes auf den Social Media-Kanälen und der Website wurden in Workshops von Kindern und Jugendlichen angefertigt. Wir machen ja auch zahlreiche Kreativkurse (Nähen und historisches Kochen für Erwachsene, Basteln, Malen und Nähen etc. mit Kindern). Grundsätzlich können wir für Erwachsene auch Nähkurse für historische Kleidung durchführen oder auch historische Kostüme für Maskenfeste etc. für Privatkunden anfertigen. Hierbei achten wir aber auch auf historische Authentizität und Wertigkeit.

Das Interview führte Dr. Hildegard Reinhardt, Fotos A.Biller