Hetty Liebelt -es kommt auf die Richtung an-
An einem frühlingshaften Vormittag waren wir mit Ihnen, liebe Frau Liebelt, zu einem Interview in Ihrem Atelier in Plittersadorf verabredet. Nach einigem Herumfahren entdeckten wir in einer stillen Straße unweit des Rheins Ihr Atelierhaus, vor dem Sie uns schon erwarteten und herzlich begrüßten. Wir wurden in einen großen Raum geführt, in dem auf zahlreichen Tischen Gläser mit Pinseln und Bleistiften herumstanden, Staffeleien mit und ohne Figurenbilder, ein Computer, ein Kleiderständer aufgestellt waren, Blechspielzeug, eine zarte Madonnenfigur, Kerzen, bunte Steine, Mappen, ein Einkaufskorb verwahrt wurden. Bücherregale mit kleineren Bilder waren an den Wänden aufgestellt. Eine Ihrer Schülerinnen war gerade mit ihrer Arbeit an der Staffelei beschäftigt, ließ sich aber nicht von uns ablenken. Dann durften wir im Nebenraum Ihr Gemälde-Depot besichtigen, in dem dicht an dicht die Arbeitsergebnisse der letzten Jahre hingen: Wir waren beeindruckt von der enormen Zahl. Sie erzählten uns von Ihrer Antwerpener Künstlerfamilie, erwähnten Ihren Sohn, der als Filmemacher unterwegs ist, von Ihrem ebenfalls künstlerisch aktiven Bruder und anderen Künstlerpersönlichkeiten in Ihrer Familie. Das machte uns neugierig, daher unsere Bitte, uns mehr darüber zu berichten. Hildegard Reinhardt
A. Bi
Ihrem charmanten Dialekt kann man entnehmen, dass Sie nicht in Deutschland geboren sind. Wann und was hat Sie nach Deutschland geführt?
H.L.
Ich bin 1950 in Belgien in Antwerpen geboren… Nach meinem Studium habe ich in Belgien meinen Mann kennengelernt, der seinen Militärdienst in Belgien gemacht hat bei der Nato. Da ich in meiner Jugend auch eine Brieffreundin im Spessart hatte, konnte ich schon ein bisschen Deutsch. Zwei Jahre später haben wir uns dann verlobt und sind nach Sindelfingen in Baden-Württemberg zu seinen Eltern gezogen. Dort habe ich in einer Werbeagentur gearbeitet und mein Mann hat studiert und ist Bauingenieur. Die Bundeskunsthalle in Bonn hat er geleitet mit seinen Kollegen.
A.Bi.
Wie Sie uns bei unserem Besuch in Ihrem Atelier erzählten, entstammen Sie einer künstlerischen Familie, Sie sind sozusagen einem künstlerischen Nest entsprungen. Uns würde interessieren, auf welche Generation das zurückführt.
H.L.
Die Brüder meiner Mutter und eine Schwester meines Vaters waren auch Künstler. Also hatten wir das im Blut. In Belgien gibt es Kunstgymnasium und da habe ich dann mein Abitur in Kunst gemacht und später in Antwerpen die Akademie besucht. Wir sind heute noch 11 Künstler in der Familie.
A.Bi.
Welchen beruflichen und künstlerischen Werdegang haben Sie in frühen Jahren eingeschlagen?
H.L.
1980 wurde mein erster Sohn geboren und 3 Jahr später der zweite. Es war nicht mehr dran zu denken, wieder zu arbeiten. Mit 2 Kindern wurde ich immer abgewiesen. Daraufhin habe ich wieder angefangen, zu zeichnen und zu malen. Es folgten mehrere Aufenhalte in der Akademie in Steinfeld/Eifel.
Jetzt unterichte ich als Hobbymalerin meinem Atelier in Rüngsdorf, was mir viel Spass macht und fit hält.
Bin im Kunstverein Bad Godesberg Mitglied und hatte viele Ausstellungen in den ganzen Jahren.
HR
Welches waren für Sie die entscheidenden Anstöße zur künstlerischen Tätigkeit? Welche Ausstellungen oder Besuche in Künstlerateliers haben Sie am nachhaltigsten beeindruckt?
HL: Drei meiner Onkel waren Künstler sowie fünf Cousinen in der Familie. Das habe ich anscheinend im Blut.
HR
Welches sind Ihre Lieblingsmaler, Ihre Lieblingsmuseen?
HL
Rubens und van Gogh.
HR
Wie gestaltete sich Ihre Tätigkeit als Werbegrafikerin in den 1980er Jahren in Sindelfingen nach dem Studienabschluss in Antwerpen?
HL
Anstrengender als heute. Kein PC, alles wurde von Hand gemacht. Toller Job. Meine Stärke war das naturalistische Zeichnen und Malen.
HR
Nach Ihrer Übersiedlung aus Baden-Württemberg ins Rheinland 1990 beschäftigten Sie sich zunehmend mit freier Malerei. Sie besuchten Ferienakademien und Workshops. Geschah das neben Ihrer Berufstätigkeit oder arbeiten Sie seitdem als freie Künstlerin?
HL
Das Malen und Zeichnen kam später, weil zwei Söhne geboren wurden. Als sie zur Schule gingen, hatte ich dann endlich Zeit, wieder zu zeichnen und zu malen. Die Akademie in Steinfeld war mein Zufluchtsort.
HR
Als Mitglied des Kunstvereins Rhein-Sieg und ab 2000 des Bad Godesberger Kunstvereins nahmen Sie ab wann und wo an Gruppenausstellungen teil? Hatten Sie auch Einzelausstellungen?
HL
Der Kunstverein war noch sehr jung, welches Jahr weiss ich nicht mehr. Ich habe einige Einzelausstellungen gehabt und natürlich auch Gruppenausstellungen.
HR
An welche Ausstellungen erinnern Sie sich besonders gern?
HL
Im Schloss Ahrensfels war eine Gruppenausstellung des Kunstvereins. Ich hatte nur ein Bild hängen und das wurde verkauft.
HR
Welches sind Ihre präferierten Themenbereiche – Studien des menschlichen, vornehmlich weiblichen Körpers, Figuren im Raum, Stillleben oder Landschaften?
HL
Mein Favorit war immer das Aktzeichnen, aber auch Druckgrafik und Ölmalerei. In meinen Gemälden steht meistens der Mensch im Mittelpunkt.
HR
Was fesselt Sie am androgynen Körper, den Sie mit Vorliebe als Rückenfigur realistisch in monochromen Konturzeichnungen variieren?
HL
Der Rücken ist nun mal interessanter.
HR
Wie lange haben Sie an Ihrem vierteiligen hochformatigen “Jahreszeiten”-Zyklus gearbeitet, in dem je eine einzelne weibliche Gestalt vor einer Naturkulisse figuriert und die jeweilige Jahreszeit symbolisiert?
HLTatsächlich vier Jahreszeiten.
HR
Welchen Anteil an Ihren Oeuvre nehmen die abstrakten Gemälde ein – z.B. die beeindruckende Arbeit “Metamorphosen”, bei der parallele Vertikale unterschiedlicher Größe in feinsten koloristischen Variationen schimmern.
HL
Selten. Da ich von der Grafik komme, bleibt der realistische Ausdruck im Mittelpunkt.
HR
Sie lassen sich auch gern zu Arbeiten von Künstlerkollegen und großen Künstlerpersönlichkeiten inspirieren, z.B. von Chagall und Picasso?
HL
Ja, gelegentlich.
HR
Nehmen Sie auch Anregungen bei Reisen auf, z.B. bei der “Gruppe arabischer Frauen” in ihren Tschadors?
HL
Das sind Bilder aus der Serie „Menschen dieser Welt“. Ich war mal in der Türkei und in Ägypten, da habe ich einiges fotografiert.
HR
Fertigen Sie auch Auftragsarbeiten an, z.B. Porträts auf Wunsch von Kunden?
HL
Gelegentlich ja.
HR
Sie arbeiten mit Vorliebe in Öl und Acryl, in Acryl wegen des raschen Trocknens der Farbe?
HL
Öl ist immer noch mein Favorit, aber oft fange ich mit Acryl an und dann mache die Feinheiten in Öl.
HR
Sind Sie ausschließlich in Ihrem Atelier aktiv oder gehen Sie in die Natur, um im Freien vor dem Objekt zu arbeiten?
HL
Nur im Atelier. Beim Zeichnen (in der Natur) kann man sich allerdings auch hier und da einmal hinsetzen und das zeichnen, was man sieht.
HR
Stellen Sie gelegentlich zu Ihrer Entspannung auch lustige kleine Puppen her, z.B. das Paar “Harry und Meghan” aus recycelten Produkten wie Flaschen, Stoffresten und Goldkrönchen?
HL
Das war zum Thema Recycling und hat wirklich Spaß gemacht.
HR
Neben Ihrer eigenen künstlerischen Arbeit betreiben Sie auch eine Malschule. Ab 2003 leiteten Sie mit Kollegen das Gemeinschaftsatelier “Kunstraum 85” in Bad Godesberg. Seit wann besteht Ihre eigene Malschule in Rüngsdorf? Wie organisieren Sie diese? Veranstalten Sie mit Ihren Schülern auch Malexkursionen und wenn ja, wohin?
HL
Es hat sich viel verändert. Ich bin in Rüngsdorf bestimmt schon zehn Jahre. Ich bin allein verantwortlich für alles, was hier geschieht. Ich hatte ziemlich viele Künstler:innen. Leider sind einige verstorben oder krankheitsbedingt ausgeschieden. Im Moment sind es noch sechs Schüler. Über kurz oder lang werde ich aufhören müssen.
HR
Welche Hobbys pflegen Sie, um sich abzulenken und neue Kraft zu schöpfen?
HL: Sport.
HR
Leben Sie gern in Bad Godesberg?
HL
Ja, sehr gerne. Alles ist sehr nahe. Man kann viel zu Fuß erledigen.
HR
Was gefällt Ihnen hier besonders, was mögen Sie weniger gern?
HL
Die Atmosphäre ist spitze und in Rüngsdorf ist es wirklich gemütlich.
HR
Welches sind Ihre Lieblingsplätze?
HL
Unten am Rhein.
HR
Welches sind Ihre nächsten Ausstellungspläne und Ihre größten künstlerischen Zukunftswünsche?
HL
Ich habe aufgehört zu planen. Seit Corona hat sich vieles geändert. Ich male nur noch nach Aufträgen oder Ausstellungen im Kunstverein.