Talente Johanna Hess

Johanna Hess eine ausdrucksstarke Künstlerin

A.Bi. Bevor Ihnen Dr. Hildegard Reinhardt einige spezifische Fragen zur Ihrem  künstlerischen Werk stellt, sind wir neugierig zu erfahren, ob und wie sich das Zusammenleben mit einem Theatermenschen, Regisseur, Schriftsteller, Ihrem Mann, auf Ihr künstlerisches Schaffen auswirkt. Zwei kreative Menschen unter einem Dach, eher anregend, anspornend oder hinderlich?

J.H.Explosiv! Wir schätzen jeweils die Arbeit des anderen und üben erst Kritik nach Vollendung des. Werkes, nach einer Premiere oder einer Vernissage!

A.Bi. Ihre Bilder sprechen eine klare konstruktive Sprache, die Vermutung liegt nahe, dass auch die Malerin Johanna Hess in Ihrem Wesen gut strukturiert und klar agiert, oder ist genau das Gegenteil der Fall?

J.H. Eher das Gegenteil ist der Fall, als dreifache Mutter musste ich mich im Multitasking üben und oft spontane Entscheidungen treffen, wenn ich arbeiten wollte.

A. Bi. Keramik, konstruktive Malerei, Ihr Metier, fühlen Sie sich den Künstlerinnen aus der frühen Bauhauszeit in Weimar verbunden und welcher da eventuell besonders?

J.H. Im Bauhaus ging es mehr um Gebrauchskeramik, ich wollte Skulpturen herstellen, das keramische Wissen habe ich ja.

H.R. Wie zeigte sich Ihr Interesse an künstlerischer Arbeit? Entdeckte Ihre Familie Ihre Begabung, Bekannte oder Lehrer*innen? Besuchten Sie als Schülerin Museen und Ausstellungen in Heidelberg oder Mannheim – und welche?

J.H. Meine Familie war eher skeptisch: brotlose Kunst! Sie bezweifelten, dass ich überhaupt die Aufnahmeprüfung bestehen würde! Museen und Kunstvereine besuchte ich in Heidelberg, Mannheim, Stuttgart.

H.R. Wie kamen Sie zur Töpferei? Wie lange waren Sie als Keramikerin tätig? Wie muss man sich Ihre Arbeiten vorstellen?

J.H. Ich wollte mit den Händen tätig sein; die Erde, den Ton mit meinen Händen gestalten, hätte ich eine schöne Stimme gehabt, wäre ich vielleicht Sängerin geworden. Ich war 3 Jahre als Keramikerin tätig.

von J.H: handgefertigtes Ausstellungs-Modell zur Ausstellung FARBE BEKKENNEN in Hildesheim 2020

H.R. Wie und wann kam es zu Ihrer Entscheidung, an der Karlsruher Akademie bei Prof. Wilhelm Loth, einem bekannten Bildhauer, zu studieren? Was hat Sie an diesem Menschen und Bildhauer so fasziniert?

J.H. In Karlsruhe gab es 2 Bildhauerklassen; in der Klasse Loth war man spezialisiert auf Güsse, im Gegensatz zur Klasse Kindermann, dort wurden Steine bearbeitet. Loth war ein sehr genauer, strenger Lehrer! Wir mussten immer schon morgens um 8 Uhr in der Akademie erscheinen, während die Studenten der Malerei Klassen so um 11 Uhr kamen oder gar nicht. Er hat uns quasi das 3 Dimensionale Sehen beigebracht! In unzähligen Aktzeichen  Stunden haben wir vor Modell geübt, mit Linien die Körper plastisch dazustellen. Wir mussten Portrait zeichnen und modellieren; das klassische Studium der Bildhauerei eben, nach Inhalten wurde erstmal nicht gefragt. Aber es war eine gute Übung, ich habe damals viele Freunde portraitiert. 3 Gipsköpfe stehen bei mir im Atelier.

H.R. Seit wann sind Sie als freie Malerin aktiv? Was treibt Sie an, gerade in diesem Metier zu arbeiten?

J.H. Aquarelliert habe ich schon immer, gemalt seit 1988. Die ersten Arbeiten bestanden aus bemalten Gipsreliefs. Damals habe ich zeitweise mein Atelier mit einer Malerin geteilt, diese arbeitete ausschließlich mit Acrylfarben aus der Tube, man musste diese Farben nicht einmal mischen, es gab und gibt ja unzählige Töne. Das vereinfachte mir den Umgang mit Farben sehr, im Gegensatz zu Leimfarbe oder Eitempera, die in den Malklassen der Akademie benutzt wurden und anders als diese regelrecht leuchteten. Auch muss ich gestehen, als ich das erste mal ein Gemälde von Mark Rothko sah, hat mich das umgehauen, die Farbmacht. hat mich aufs tiefste berührt. Mit Musik geht mir es ebenso. Um mit Paul Klee zu sprechen: „ Die Farbe hat mich“

H.R. Wie entstehen Ihre ungemein farbfrohen Arbeiten – an der Staffelei oder etwa auf dem Atelierboden liegend?

J.H. Die großen Arbeiten liegend auf dem Boden; die kleineren Formate lege ich auf Böcke, da die einzelnen Lasuren erst trocknen müssen um weitere aufzutragen. Eine andere Technik, die ich sehr mag ist das Spachteln der Farbe, diese mischt sich dann auf der Leinwand und so entstehen neue Farbgemenge

A.Bi. Danke für das Interview liebe Johanna , aber eine Frage noch zum Schluss, wie schaffen und schafften  Sie es als Mutter von 3 Kindern. (bitte einsetzen) Ihre Kreativität und Vorstellungen in Bildern umzusetzen und gleichzeitig eine Familie zu managen?

J.H. Diese Malerei ist ja keine Arbeit, sie ist Lebenselixier! Interview Dr. Hildegard Reinhardt Kunsthistorikerin und Kuratoriumsmitglied, A. Bi. Fotos u. Werkfotos von Homepage J.H.

Studienjahre

Atelierbesuch

 

Ende von Lockdown 1  – Erleichterung und Vorfreude auf den Besuch bei Johanna Hess: An einem sonnigen Spätsommertag  führte uns die Malerin durch ihr Atelier und die Privatsammlung in ihrem Haus.
Als junge Künstlerin hatte sie als Keramikerin gearbeitet, zeigte uns frühe Skulpturen in Fotoalben sowie Porträts, Tiere und abstrakte Arbeiten aus Gips und Beton, die heute ihren weitläufigen Garten zieren. In ihrem Haus hängen Zeichnungen fragiler weiblicher Akte aus ihrer Frühzeit an der Karlsruher Akademie – Arbeiten zum „Sehen lernen“, wie sie selber sagt. Große Begeisterung lösen die Arbeiten aus glänzenden Metallbuchstaben des gebürtigen Iraners Babak Saed bei uns aus. Im ganzen Haus verteilt sind Arbeiten von Künstlerfreunden – Käufe und Geschenke. Für uns hat Johanna Hess mehrere kleine Kataloge des von ihr besonders geschätzten Künstlerpaares Thomas Kocheisen und Ulrike Hullmann ausgebreitet. Geschenke von Elvira Bach und Sigmar Polke vervollständigen die Galerie. Der Künstlerfreund Martin Noel, dessen Einzelausstellung im Bonner Kunstmuseum zum größten Teil dem ersten Lockdown zum Opfer fiel,  ist mit einer abstrakten Arbeit vertreten. Abstrahierende kleine Zeichnungen von Diethelm Bornefeld hängen in unmittelbarer Nähe. Zwei Foto-Arbeiten der Andreas Gursky-Meisterschülerin Louisa Clement hat der Hausherr für sein Büro ausgewählt. Die ganz große Begeisterung von Johanna Hess gilt dem Fotografen Martin Schoeller, der gerade im Frühjahr in der Essener Zeche Zollverein in der Ausstellung „Survivors“ Porträtfotografien von 75 Holocaust-Überlebenden vorstellte. Er ist mit einer Arbeit vertreten, auf die Johanna Hess uns besonders hinweist. Kunstwerke unterschiedlichster zeitgenössischer Künstlerpersönlichkeiten, verschiedenster Medien und Formate dokumentieren Begegnungen unserer Gastgeberin mit Freunden aus ihren mehreren Lebensphasen. An den Wänden ihres Ateliers, sorgsam angelehnt und aufgereiht, befinden sich  die eigenen Gemälde in abstrakten Streifen- und Kreisformen in der für sie charakteristischen glänzenden, mitreißenden Farbigkeit.H.R.

Werkauswahl  von Johanna Hess

Künstlerfreunde von J.H.