Talente Kurtulus

Enis Kurtulus

Auf Ihrer Website des Kunstraum 85 konnte man nachlesen, dass Sie Ihre Liebe zur Malerei mit 8 Jahren entdeckten.

Kurtulus: Ich erinnere mich, dass ich im Alter von etwa 4 Jahren mit meinem 20 Jahre älteren Bruder und dessen Freund im Wohnzimmer saß, und mit dem Bleistift Figuren auf Papier zeichnete, als mein Bruder plötzlich ausrief: „Enis, Du zeichnest ja gar  keine Strichmännchen, sondern richtige Menschen!“ Dieses Lob hat mich sehr stolz gemacht.

Mit 8 Jahren bekam ich zum Geburtstag 50 Lira (damals etwa 50 Euro) geschenkt, die ich sofort in Leinwand, Pinsel und Farben investierte. Daraus entstand mein erstes Bild.

Nach meinem Abitur wurde ich Agrar-Ingenieur und machte in Bonn meinen Abschluss. Diesen Beruf habe ich jedoch nie ausgeübt, sondern lebe seit 1994 als freiberuflicher Maler in Bonn. 2003 gründete ich die Malschule Kunstraum85. Ich gehöre auch zu den Gründungsmitgliedern des Godesberger Kunstvereins,dessen Künstlerischer Leiter ich 2003-2008 war.

Ist ein Akademie-Studium für einen bildenden Künstler eher ein Hindernis für dessen  freie Entfaltung?

Kurtulus: Bei mir hat es sich so ergeben, dass ich nach dem Ingenieur-Studium kein weiteres Studium in Angriff nehmen wollte. Ich wollte einfach nicht Meisterschüler eines bestimmten Akademie-Professors sein, sondern  meinen eigenen Stil entwickeln.

Ihre realistisch-surrealistischen Werke stehen der „Wiener Schule des Phantastischen Realismus“ nahe. Haben die modischen Stilrichtungen der vergangenen Jahrzehnte wie  Informell oder  die Neuen Wilden Sie inspiriert? Von welchen Vorbildern wurden Sie besonders beeinflusst? Könnten Sie sich auch vorstellen, einmal ein Bühnenbild zu gestalten?

Kurtulus: Die Maler der „Wiener Schule des Phantastischen Realismus“ faszinieren mich sehr. Sehr beeindruckt hat mich auch das Werk von Max Ernst. Ich habe das Max Ernst-Museum in Brühl oftmals besucht und mit großem Interesse das Buch von Luise Straus-Ernst „Nomadengut“  gelesen. Das Informell begeistert mich im Gegensatz zu den „Neuen Wilden“ sehr. Nein, ein Bühnenbild würde ich nicht machen wollen.

Sie haben seit 2003 mehrere Einzelausstellungen realisiert – 2003 im Haus an der Redoute und im Kulturzentrum Hardtberg, 2007 in der Mannheimer Galerie Artek-1 2008 und 2014 im Godesberger Kunstverein. Planen Sie in naher Zukunft weitere Einzelausstellungen?

Kurtulus: Seit 2003 stelle ich meine Bilder in den großen Schaufenstern des Kuntraum85 in Bonn Bad Godesberg, Burgstraße 83a-b gegenüber von Kunstverein Bad Godesberg) aus. Für den kommenden Herbst (September oder Oktober) des Jahres 2020 bereite ich eine Einzelausstellung im Kunstraum85 vor.

Wie teilen Sie sich Ihren Tag zwischen künstlerischer und pädagogischen Arbeit auf?

Kurtulus: Meistens nutze ich den Vormittag für meine Malerei. Nachmittags gebe ich zusammen mit zwei Dozentinnen hier in der Malschule Kunstraum85 Malkurse für Kinder und Jugendliche sowie Erwachsene.  Die Arbeiten unserer SchülerInnen präsentieren wir alljährlich in einer Ausstellung in unserem Atelier im Kunstraum85. Das muss in diesem Jahr jedoch Corona-bedingt leider ausfallen.

Wie ist Ihr Arbeitsprozess? Bereiten Sie Ihre Gemälde in Skizzen oder Vorzeichnungen vor?

Früher hatte ich das Bild bereits fertig im Kopf, bevor ich es auf die Leinwand brachte. Heute beginne ich experimentell, und im Dialog mit dem Werk entsteht das Bild. Ich arbeite fast ausschließlich in Öl auf Leinwand, gelegentlich in Acryl, experimentiere und überlasse auch mal viel dem Zufall um dann das Bild in meiner Art zu Ende zu malen. Allerdings arbeite ich freier und abstrakter als in früheren Jahren. Mich fesseln die Themen Natur und Weltall;  Astronomie habe ich vier Semester lang vor meinem Ingenieurstudium studiert. „Wonderful World of Avni“, 2006, „Aufbruch der Türkise“, 2006, „Ägäis“, 2010, „Hoffnung“, 2011, „Galaktischer Himmel“, 2014, „Parallelwelten“ und „Ihlara-Schlucht“, beide 2015, verraten die weitgespannte Beschäftigung mit Philosophie und Astronomie.
das Interview führte Frau Dr. H. Reinhardt, alle Fotos Kurtulus