Buchskulpturen Sabine Mann
An einem strahlenden Vorfrühlingstag empfing uns Sabine Mann, umringt von ihren drei freudig bellenden Hunden, zu unserm Besuch in ihrem Atelier in der zweiten Etage ihres Hauses. Treppenstufen in jeweils einem anderen Farbton bemalt, führten uns – vorbei an einer Ablage, auf der sich sorgfältig platzierte historische Buchausgaben befanden -, in ihr lichtdurchflutetes, sehr geordnetes Atelier: Auf dem Arbeitstisch lagen ihre verschiedenen Arbeitsinstrumente griffbereit. Farbpinsel hingen, wie an einer Perlenschnur aufgereiht, von den Regalen herab. Fotos des Großvaters und Picassos in stiller Nachbarschaft mit kleinen stehenden Leporello-Figuren, die van Gogh in fünffachen Ausschnitten präsentierten, vervollständigten die Erinnerungsecke. Ein dichter Hyazinthenstrauß verströmte diskreten Frühlingsduft „Bei mir muss alles sehr aufgeräumt sein“, verkündete sie Gastgeberin und bat uns, Fragen zu stellen und Fotos zu machen.
Nach längerer Tätigkeit in einer Kölner Werbeagentur beschäftigte sich die als Grafikerin und Designerin in Wiesbaden und der Schweiz ausgebildete Künstlerin Sabine Mann zunächst mit Fotografie, danach mit Collagen und schließlich dem jetzigen, absolut originären Medium der Papierskulptur.
Zweierlei inspirierte die Künstlerin zu diesem Werkkomplex: Die Bibliothek hauptsächlich wertvoller Ausgaben des 19, Jahrhunderts aus dem Besitz des Großvaters sowie die Entdeckung der Technik der Schnittskulptur einer holländische Kollegin. Seit einigen Jahren erstellt Sabine Mann ihre Papierskulpturen, indem sie etwa 20 cm hohe Objekte aus alten Büchern anfertigt, deren Seiten sie einzeln einfärbt und trocknen lässt, bevor sie mit dem präzisen Zerschneiden der Seiten beginnt. Eine „meditative Arbeit“, der sie sich ausgesprochen gern widmet, wenngleich das Zerschneiden der Buchseiten oftmals mit Handschuhen und Daumenschutz, auch handwerkliches Geschick erfordert. So benötigt die Schnittskulptur von Johann Gottfried Herders sämtlichen Werken, 1827 mit 255 Seiten erschienen und von ihr jeweils in Rot und Orange eingefärbt, 2.800 Einschnitte
Neben den bibliophilen Ausgaben aus Familienbesitz ersteht die frankophile Künstlerin ihr Arbeitsmaterial vorzugsweise auf Flohmärkten in Südfrankreich. Das rauhe, buckelige Papier, das die Farbe unterschiedlich aufsaugt, mag sie besonders gern wegen der überraschenden Farbwirkungen. Auseinanderfallend wirken die Blätter fächerartig und werden durch die Buchrücken zusammengehalten. Etwa einen Monat benötigt sie für die Realisierung eines Objekts. Ihre etwa 20 cm hohen Skulpturen stellt sie unter einen Glassturz oder in einen Glaskubus, der von unten illuminiert wird und so den Reiz der Arbeit deutlich erhöht.
Sabine Manns besonders eindrucksvolles Objekt „Farbkreis mit 12 Goethe-Werken angelehnt an seine Farblehre“ lässt die Buchskulpturen in zwölf Farbstufungen von Blau, über Gelb, Rot und Pink zu Violett changieren. Der bibliophile Käufer der Arbeit war derart fasziniert, dass er der Künstlerin den Auftrag zu einer ähnlichen Installation in Schwarz- und Grautönen für seine Bibliothek erteilt hat. Für das Jahr 2022 hat Sabine Mann eine Präsentation ihrer Buchskulpturen auf der Frankfurter Buchmesse in Aussicht, Text Hildegard Reinhardt
die Idee, das Objekt, das Werkzeug, das Werk
Aufmerksam wurde ich auf die Fotografin Sabine Mann, geb. Stolle, beim Durchblättern eines prächtigen Bildbandes, in dem Du die Auferstehung eines verfallenen und verwaisten Jagdschlosses in Remagen, zu einer glanzvollen Schönheit fotografisch dokumentiertest. Die stimmungsvollen Aufnahmen in der Gegenüberstellung des vorgefunden und restaurierten baulichen Zustands von Räumen, Fluren, Sälen, Küchen, Remisen, durch einen enthusiastischen Mäzen, beweisen Dein professionelles fotografisches Können.
A.Bi.Wie bist Du zur Fotografie gekommen?
S.M… eigentlich bin ich keine ausgebildete Fotografin, aber das Festhalten von Orten und Dingen mit einem bestimmten Charisma fasziniert mich schon immer. Bei dem Schloss hatte ich das große Glück, den Werdegang des Wiederaufbaus über viele Jahre mitzuverfolgen.
A.Bi. Deine Einladung zur Ausstellung „ InkArtBooks“ in der CONTINUUM Gallery im Mühlenhof, Corona bedingte Einzeltermine, flatterte uns im November 2020 ins Haus. Farbintensive, stachelige, teilweise Kunstrasenähnliche, wie borstige Walzen einer Waschstraße anmutende Objekte machten neugierig. Welche Idee und was steckt hinter den nicht sofort erkennbaren Objekten und welche einzelnen handwerklichen Schritte führen zu dieser außergewöhnlichen Kunst?
S.M Zu dem Bearbeiten der Bücher bin ich eigentlich durch eine Aufräumaktion meines Ateliers gekommen. Ich fand dort die Bücher meiner Großeltern und brachte es nicht übers Herz, diese zu entsorgen oder auf nimmer Wiedersehen in einen Schrank im Keller zu verbannen. Aber nur rumstehen lassen wollte ich sie auch nicht und so habe ich sie bearbeitet, um ihre alte, morbide Schönheit wieder ans Licht zu bringen – sie quasi wieder attraktiv für den Betrachter zu machen und das sie das „Kellerschicksal“ nicht erleiden müssen.
A.Bi. Die Umsetzung von Kunstprojekten von der Idee bis zum Kunstwerk erfordert viel Raum und Zeit, welche ideelle Unterstützung erhälst Du von Deiner Familie? Aus einer Bad Godesberger Unternehmerfamilie stammend, wird man nicht zwangsläufig künstlerisch geprägt. Wurde Dir Dein kreatives Talent in die Wiege gelegt?
S.M. Kreativität liegt bei uns in der Familie. Meine Mutter und ihre Schwester werkeln schon ihr ganzes Leben, ehrenamtlich oder als Grafikerin in frühen Jahren, ein Onkel hat mit der Malerei sogar sein Geld verdient. Mein Vater hatte nie viel Zeit, sich mit kreativen Dingen zu befassen, obwohl ich finde, eine Art Kreativität steckt ja auch in anderen Beschäftigungen nicht nur im Arbeiten mit Pinsel und Farben. Meine Eltern ermöglichten es mir aber, meiner Phantasie freien Lauf zu lassen und so konnte ich erst an einer Kunstschule in Wiesbaden quasi die Grundlagen erlernen und habe dann in der Schweiz ein Grafik Design Studium gemacht, da ich erst einmal mit der Kreativität Geld verdienen wollte. Ich arbeitete einige Jahre bei einer Werbeagentur in Köln-Marienburg. Als dann die Kinder auf die Welt kamen, wurde das doch etwas zu angespannt, denn Werbung ist fast immer Terminsache und wirklich schwer mit der Familie zu vereinbaren. Aber nebenher hab ich nie aufgehört, mich mit Kunst zu beschäftigen. Erst die Malerei, dann Collagen und nun die Bücher. Im Moment kann ich kaum an Bücherregalen von Freunden vorbeigehen, ohne mir ihre Bücher auf meine Qualitäts- und Eignungskriterien anzuschauen. Wenn die wüssten, was ich mit den Büchern vorhabe, würden einige mir bestimmt den Eintritt verweigern.
A.Bi. Welche Impulse und Eindrücke im alltäglichen Leben inspirieren Dich zu eigenen Werken?
S.M. Inspiration finde ich viel in schönen Zeitschriften oder Kunstmagazinen. Da kann ich mich wunderbar reinversetzen und gerade jetzt in Corona Zeiten, Besuche zu Messen, Galerien oder Museen nicht möglich sind, ist das eine wunderbare Flucht nach außen.
A. Bi. Als gebürtige Bad Godesbergerin in Sichtweite der Godesburg mit Mann, Kindern und Hunden lebend, wie empfindest Du Bad Godesberg heute im Wandel der Zeit und was würdest Du Dir für die Zukunft von Bad Go wünschen?
S.M. Ich liebe mein Bad Godesberg da ein Großteil meiner Familie hier wohnt. Im Moment ist es schwer, überhaupt etwas zu wünschen, solange wir uns mit der Pandemie beschäftigen müssen. Aber ich denke oft: Alles wird Gut!
A.Bi. Was sind Deine nächsten Projekte für dieses Jahr falls diese Pandemiebedingt realisiert werden können, welche kreativen Ideen schweben Dir in naher Zukunft vor?
Meine Pläne für die Zukunft sind erst einmal, weiter mit meinen Buchskulpturen zu arbeiten. Es ist eine Art meditativer Arbeit, die lange andauert und viel Geduld und Konzentration erfordert. Das passt gerade gut. Mit meiner Galerie CONTINUUM habe ich weitere Pläne, aber wie schon geschrieben im Moment ist es schwer, konkrete Pläne zu machen.
Anmerkung Sabine Mann fotografierte bereits für unsere Webseite verschiedene Detailansichten von Godesberg und setzte die digitale Ausstellung „Metropolis“ fotografisch mit uns um.
“Ausstellung InkArtBooks“ in der CONTINUUM Gallery im Wintermühlenhof 11 Königswinter, 2020
Interview Angela Biller, Atelierfotos A.Bi., Werkfotos S.Mann Homepage S.M.